Nutzungshonorare nachverhandeln?

Wenn der Verwertungserfolg das Grundhonorar bei Weitem übersteigt.
2. Dezember 2025 durch
Mag. Günter Schönberger

Foto von der BILDRECHT-Website (c) Eva Kelety

Mag. Günter Schönberger,

Geschäftsführer der BILDRECHT GmbH, der Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung visueller Rechte, hat uns folgenden Beitrag zur Nachverhandlung von Nutzungshonoraren übermittelt:

Wenn der Verwertungserfolg wächst: 
Fotoverträge im Lichte des "Bestsellermechanismus"
Warum ursprüngliche Fotovergütungen neu verhandelt werden können

  • Vom Momentauftrag zum langfristigen Wert

Der wirtschaftliche Wert eines Fotos lässt sich häufig erst im Nachhinein realistisch beurteilen. Bilder, die für einen eng umrissenen Anlass geschaffen wurden, können Jahre später eine völlig neue wirtschaftliche Bedeutung erlangen: Ein Porträt wird zum Leitmotiv einer Kampagne, ein Produktfoto zum visuellen Kern einer internationalen Markteinführung, eine Aufnahme verbreitet sich viral und gewinnt erheblichen Marktwert über mehrere Verwertungskanäle hinweg. Für Berufsfotograf:innen stellte sich lange die Frage, wie sie an solchen späteren Erfolgen partizipieren können, wenn die ursprüngliche Vergütung – oft pauschal vereinbart – in keinem angemessenen Verhältnis mehr zum tatsächlichen Nutzen des Werkes steht.

Mit der Umsetzung der DSM-Richtlinie im Jahr 2022 hat der österreichische Gesetzgeber versucht, dieses strukturelle Ungleichgewicht zu korrigieren und durch §37c UrhG einen Mechanismus geschaffen, der es Urheber:innen ermöglicht, im Erfolgsfall eine nachträgliche Anpassung ihrer Vergütung einzufordern. Der sogenannte „Bestsellerparagraph“ verfolgt dabei denselben Grundgedanken wie sein deutsches Pendant (§ 32a deutsch. UrhG), der für Art. 20 der DSM-Richtlinie maßgeblich war: Verträge sollen zwar bindend sein, aber in Bezug auf die Vergütungshöhe nur solange, wie ihre Ergebnisse nicht in offensichtlichem Widerspruch zum späteren wirtschaftlichen Nutzen/Erfolg (Umsatz oder Gewinn) des Werkes stehen. Die ursprünglich vereinbarte Vergütung ist demnach kein endgültiger Fixpunkt mehr, sondern eine Bemessungsgrundlage, die bei erfolgreichen Verwertungen überprüft und angepasst werden kann.

Ob eine Vergütung „eindeutig unverhältnismäßig niedrig“ ist, ergibt sich erst in der nachträglichen Gegenüberstellung von vereinbartem Honorar und den tatsächlichen Einnahmen des Nutzers. Für Fotograf:innen ist dieser ex-post-Ansatz besonders relevant, weil fotografische Werke häufig in Verwertungsketten zirkulieren, die sich über Agenturen, Medienunternehmen, internationale Partner oder Sublizenzierungen erstrecken und damit eine Nutzungstiefe erreichen, die die ursprüngliche Vereinbarung weit hinter sich lässt. Anzumerken sei, dass der Gesetzgeber diese Verwertungsketten bedacht hat, so dass der Nachvergütungsanspruch von den Urheber:innen gegenüber demjenigen geltend gemacht werden kann, der in der Verwertungskette die erheblichen Einnahmen generiert hat.

Die deutsche Rechtsprechung, die auf mittlerweile über zwanzig Jahre Erfahrung mit §32a UrhG zurückblicken kann, bietet einen wertvollen Orientierungsrahmen für die künftige österreichische Judikatur. Entscheidungen wie die vielzitierte „Das Boot“-Entscheidung“ (BGH GRUR 2021, 955), die „Fluch der Karibik“-Entscheidung (BGH GRUR 2012, 1248), die „Tatort-Vorspann“-Entscheidung (LG München (Akz 21 O 11590/09) sowie die „Werbe-Jingles“-Entscheidung (OLG Dresden 27.02.2018 (Akz 14 U 976/17), zeigen, dass Gerichte bereit sind, den wirtschaftlichen Gesamterfolg eines Werkes umfassend zu betrachten und Pauschalvergütungen im Lichte dieses Erfolgs nachträglich zu korrigieren.

  • Transparenz als Voraussetzung für gerechte Beteiligung

Ein wesentlicher Bestandteil der Durchsetzbarkeit des österreichischen Nachvergütungsmechanismus ist, ebenso wie im deutschen Recht, der Auskunftsanspruch, der sicherstellen soll, dass Urheber:innen überhaupt beurteilen können, ob ein Missverhältnis zwischen ursprünglicher Vergütung und tatsächlicher Nutzung besteht. § 37d UrhG ordnet an, dass derjenige, der ein Werk entgeltlich nutzt, dem Urheber regelmäßig Informationen über Art, Umfang und wirtschaftliche Ergebnisse der Nutzung zur Verfügung stellen muss; ausgenommsen sind im Wesentlichen Fälle, in denen der Beitrag der Urheber:innen nur nachrangige Bedeutung hat. Auch in Deutschland existiert mit § 32d deutsch. UrhG ein vergleichbarer Transparenz- bzw Auskunftsanspruch. Beide nationalen Regelungen beruhen auf Art. 19 der DSM-Richtlinie und sind in ihrer Ausgestaltung weitgehend gleichlautend. Sie sollen sicherstellen, dass der Informationsfluss in einem Markt gewährleistet bleibt, in dem Verwertungsketten zunehmend komplex und für Urheber:innen ohne rechtlichen Zugriff kaum zu überblicken sind. Gerade für Fotograf:innen, deren Werke häufig weit gestreut und in wechselnden Nutzungsszenarien erscheinen, ist dieser Zugang zu Nutzungs- und Einnahmeinformationen entscheidend, um eine etwaige Nachvergütung fundiert geltend machen zu können.

Kommt es  zu Meinungsverschiedenheiten bei den Auskunftsansprüchen (§37d UrhG) oder dem Nachvergütungsansprüchen (§37c UrhG), insbesondere über die Höhe oder die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung, bietet der österreichische Gesetzgeber mit dem Schlichtungsausschuss nach § 82 VerwGesG einen institutionalisierten Vermittlungsweg, der eine außergerichtliche Klärung erleichtern soll und insbesondere in den frühen Jahren der neuen Rechtslage eine wichtige – die Gerichte entlastende - Funktion haben dürfte. Dieser Mechanismus entspricht dem Anliegen des modernen Urhebervertragsrechts, Konflikte effizienter und kostenschonender zu lösen und so sicherzustellen, dass Ansprüche nicht an praktischen Hürden scheitern.

  • Ein neues Gleichgewicht in der fotografischen Praxis

Für die fotografische Praxis bedeutet die neue Rechtslage, dass Pauschalhonorare und Buyout-Modelle zwar weiterhin üblich und rechtlich möglich sind, jedoch ihren Charakter als abschließende Abgeltung verlieren, wenn die Nutzung des Werkes eine Dimension erreicht, die im Verhältnis zur Vereinbarung des Honorars nicht mehr als angemessen und fair zu bewerten ist.

Fotograf:innen sollten daher künftig verstärkt darauf achten, die Ausgangssituation klar zu dokumentieren, die Entwicklung von Nutzungen im Blick zu behalten und ihren Auskunftsanspruch aktiv zu nutzen. Der Nachvergütungsanspruch dient weniger dazu, alltägliche Nutzungsvergütungen infrage zu stellen, als vielmehr dazu, außergewöhnliche wirtschaftliche Entwicklungen eines Werkes gerechter abzubilden und sicherzustellen, dass Urheber:innen an besonderes erfolgreichen Nutzungen ihrer Werke in angemessener Weise beteiligt werden.

Wien, Dezember 2025

Günter Schönberger
Geschäftsführer BILDRECHT GmbH